Roma, amore

Letter 14

Die Buchstaben der Ewigen Stadt
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Roma, amore

Bevor wir uns zu den antiken Stätten Roms begeben, liegen noch eine kleine Stärkung, ein Espresso und viele Beschriftungen auf unserem Weg. Die berühmten Schilder der Tabaccherie gehören zu Italiens Weichbild wie Pasta, Pizza und Piaggio. Richtig hübsch ist, dass viele Beschriftungen die warmen Erdfarben aufnehmen, in denen die meisten Häuser der Altstadt gestrichen sind und die der Stadt ihr besonderes Licht verleihen.

Füttern verboten: die Antiqua in ihrem Habitat. Ein ergreifender Moment, auf Tausende Jahre alte, in Stein gemeißelte römische Majuskeln zu stoßen, die in Form und Proportion bis heute unverändert unser lateinisches Großbuchstabenalphabet bilden. (Unsere Kleinbuchstaben, die Minuskeln, bildeten sich erst später aus mittelalterlichen Unzialschriften heraus, aber das ist eine andere Geschichte.) Das Foto oben zeigt die Capitalis Romana, die römische Versalschrift, am Sockel der Mark-Aurel-Säule auf der Piazza Colonna.
Zum Anfassen: Stele im Forum Romanum mit Majuskeln wie aus einem Lehrbuch Jan Tschicholds. Das M ist deutlich breiter proportioniert als auf der Mark-Aurel-Säule und entspricht so eher dem klassischen Ideal.
Vorchristliche Inschriften in Forum und Kolosseum: Auch die Alten Römer kannten unterschiedliche Stile und Epochen. Die Inschriften in Klassischem Latein wirken dynamischer als die geradlinige Capitalis.
In Rom stolpert man nicht nur an jeder Ecke über antike Steine, sondern auch über jede Menge Kirchen, die besichtigt werden wollen. Die Katholiken haben zwar in vielen Lebensbereichen den altrömischen Lifestyle hinter sich gelassen, etwa Gladiatorenspiele oder Christenverfolgung, aber so manches Gute haben sie übernommen: genau, zum Beispiel die Schrift. Ob nach alter Sitte in Stein gemeißelt oder als liebevolle Marmorintarsien – links oben sogar mit gekehlten Serifen –, die Capitalis Romana ist auch in den monotheistischen Kultstätten erste Wahl, wenn es um das Tradieren ewiger Inhalte geht.
Senatus Populusque Romanus – Senat und Volk von Rom: Dieser römische Kanaldeckel wurde zwar von einer Florentiner Gießerei gefertigt, legt aber Zeugnis ab über die große typografische Tradition der Ewigen Stadt, über die Wiege unserer lateinischen Antiqua-Schriften.