|
|
|
Bitte nicht aus der Reihe tanzen!
Format – Ausstattung – Grafik – Schrift: Diese vier Parameter sollten innerhalb einer Buchreihe einheitlich sein.
Die Typografie für ein gesamtes Programm einzurichten und Covers für Eventualitäten vorauszuplanen, die man noch nicht so genau kennt – der übernächste Band könnte einen viel zu langen Titel haben und das ganze Kartenhaus zum Einsturz bringen –, das gehört zu den reizvolleren Aufgaben in der Buchgestaltung.
Im aktuellen typic.at.letter möchte ich zwei der Reihen vorstellen, die ich in den vergangenen Jahren umgesetzt habe. Die eine, weil sie topaktuell und wichtig ist, die andere, weil sie ursprünglich nicht als Reihe konzipiert und gar nicht so leicht zu realisieren war, aber dennoch richtig gut funktioniert.
Die Wahl fiel auf diese beiden Reihen, weil sie eine besondere Eigenschaft aufweisen und sich deshalb kompakt präsentieren lassen: Sie bestehen aus gerade einmal zwei Bänden, das ist sozusagen die Mindestanforderung. Auf dass noch der eine oder andere dazukommen möge!
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Die bislang zweibändige Schriftenreihe des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
|
|
|
»Das Resultat des Geschlechtsverkehrs ist im Allgemeinen das Kind.«*
Unweit des Wiener Westbahnhofs, bis vor Kurzem noch mondäner Start- und Endbahnhof für internationale Reisezüge, liegt direkt am verkehrsreichen Mariahilfer Gürtel das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch, kurz MUVS. Das Museum ist verhältnismäßig klein, dicht bestückt und sehr schön gestaltet. Zusätzlich zu den liebevoll kuratierten Ausstellungsräumen verfügt es über eine wissenschaftliche Fachbibliothek und betreibt aktiv Forschung.
Als Institution, die etwas auf sich hält, gibt das MUVS auch eine eigene Schriftenreihe heraus, die ich gestalten darf. Band 1 der Schriftenreihe war eine Biographie des Gynäkologen Hermann Knaus, der den weiblichen Zyklus hinsichtlich der Fruchtbarkeit erforscht hat; in Band 2, soeben erschienen, geht es um die Einführung der Fristenlösung in Österreich. 1975, also vor 50 Jahren, wurde der Schwangerschaftsabbruch endlich straffrei gestellt.
Für die Gestaltung der Reihe wählte ich neben einem ökonomischen, sachbuchtauglichen Format auch ein passendes Papier aus dem norwegischen Munken-Sortiment: Sowohl die Innenseiten als auch der Umschlagkarton sind auf derselben Sorte gedruckt, dem leicht gelblichen Munken Pure. Diese Einheit aus Cover und Kern verleiht dem Buch einen dezent-eleganten Charakter. Der Karton besteht aus der griffigeren Volumenvariante, wodurch die Bücher gut in der Hand liegen und sich angenehm rau anfühlen.
Auftraggeber·in: MUVS – Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch.
Susanne Krejsa MacManus, Christian Fiala: Der Detektiv der fruchtbaren Tage. Die Geschichte des Gynäkologen Hermann Knaus (1892–1970). Verlagshaus der Ärzte.
Klappenbroschur.
272 Seiten.
Dies.: 1945–1975: Der blutige Kampf um die Fristenlösung … und was seither geschah. Verlagshaus der Ärzte.
Klappenbroschur.
192 Seiten.
* »Faltblatt: Liebe – ohne unerwünschte Kinder, 1913, Inventarnummer a1837, Archiv MUVS.« Zit. nach Krejsa MacManus & Fiala, 1945–1975: Der blutige Kampf um die Fristenlösung. Wien 2025, S. 18.
|
|
|
|
|
|
|
|
Die Buchrücken der beiden Bände.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
|
|
Die U4 des ersten Bandes. Bei beiden Bänden beginnt der U4-Text in einem verhältnismäßig großen Schriftgrad, der schrittweise immer kleiner wird. Auf diese Weise soll eine Sogwirkung erzeugt werden, die die Leser·innen ins Buch hineinzieht.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
Die U4 des zweiten Bandes mit demselben typografischen Taschentrick.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
|
|
Band 1 der Schriftenreihe. Detail einer Doppelseite.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
|
|
Band 2 der Schriftenreihe. Gut zu erkennen ist die harmonische Papierauswahl für Cover und Kern.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
|
|
Band 2 der Schriftenreihe.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
|
|
|
|
Barbara Neuwirth: Eurydike überlebt. Hörspiel.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
Valerie Melichar: Alle Farben im Schwarz. Monolog für drei Echos.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
|
|
|
Ganz schön dramatisch
Das erste Buch aus dieser Reihe habe ich bereits im Letter 42 vorgestellt: »Eurydike überlebt« von Barbara Neuwirth. Das liegt nun allerdings schon drei Jahre zurück, und damals war nicht absehbar, dass sich ein weiterer Band dazugesellen und mit Eurydike eine Reihe begründen sollte: »Alle Farben im Schwarz. Monolog für drei Echos« von Valerie Melichar.
Was macht diese Bücher zur Reihe? Beide Autorinnen beschreiben griechische Mythen aus klar feministischer Perspektive und wählen dafür die dramatische Form. So weit, so naheliegend. Es ist ein Glück, dass »Eurydike überlebt« zuerst erschienen ist, denn der klassische Dramensatz des Buchs war ausschlaggebend für das handliche, zarte Format. Dann kam der Auftrag für das zweite Buch. Es sollte mit dem ersten eine Reihe bilden, aber mit einer gewissen Komplikation: Inhaltlich ist es ein auf drei Rollen aufgesplitteter Monolog mit zeitlicher Überlappung, was für mich bedeutete, dass der Text unbedingt dreispaltig zu setzen war – unmöglich bei einer Seitenbreite von nur 130 mm.
Um es nicht zu spannend zu machen: Natürlich hatte ich buchstäblich den Dreh raus und stürzte das Buch für die dreispaltigen Passagen nach links. So fanden die drei Spalten knapp Platz und die Bücher sind nicht nur ihres Genres wegen hochdramatisch, sondern auch aufgrund ihrer typografischen Entstehungsgeschichte.
Eine kleine Anpassung an die breiten Zeilen war übrigens doch notwendig: Da der Text in Verszeilen verfasst ist, die nicht einfach entsprechend dem Platzbedarf umbrochen werden können, musste ich auf eine schmälere Schrift zurückgreifen. Daraus zog ich die Konsequenz und verpasste Überschriften und Pagina auch gleich ein individuelles Erscheinungsbild.
Da der zweite Band im Gegensatz zum ersten keine Farbtafeln beinhaltet, konnte ich beim Papier auf eine geringfügig schwächere Grammatur zurückgreifen, was sich beim Blättern angenehm bemerkbar macht. Und um dem Umstand entgegenzukommen, dass die dreispaltigen Passagen orientierungstechnisch eine größere Herausforderung sein könnten, spendierte ich dem Buch ein Lesebändchen.
Soviel zu den Abweichungen.
Gemeinsam ist beiden Bänden eine flächige, einfarbige Vektorgrafik am Cover, die darin eingebaute Schriftart und der Überzug mit seiner kräftigen Leinenstruktur, weswegen die Reihe auch haptisch einen starken Eindruck hinterlässt. Die gestürzten Seiten nahm ich auf dem Cover wieder auf: Autorin, Untertitel und Sujet sind um 90° nach links gedreht.
Auftraggeber·in: Literaturedition Niederösterreich
Barbara Neuwirth: Eurydike überlebt. Hörspiel.
Hardcover mit bedrucktem Überzug und Schutzlack.
104 Seiten.
Valerie Melichar: Alle Farben im Schwarz. Monolog für drei Echos.
Hardcover mit bedrucktem Überzug und Schutzlack.
104 Seiten.
|
|
|
|
|
|
|
|
Titeldetail.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
|
|
Titeldetail.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
|
|
»Alle Farben im Schwarz«. Buchkern mit gestürzten dreispaltigen und aufrechten einspaltigen Seiten.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
|
|
»Eurydike überlebt«, Buchkern.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
|
|
»Alle Farben im Schwarz«. Buchkern mit gestürzten dreispaltigen und aufrechten einspaltigen Seiten.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
|
|
»Eurydike überlebt«. Herstellungsdetail mit durchgefärbtem Vorsatzpapier.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
»Alle Farben im Schwarz«. Detail des Kerns mit eigens gestalteten Kapitelziffern in extremer Kursivierung.
Foto: © Carmen Auer
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|